"Ich will jetzt nicht so altmodisch sein, und unbedingt sagen, es kann auch mal was Modernes in die Landschaft passen, bin ich überzeugt. Wir haben zum Beispiel in Tegernsee Süd ein Haus, um das sehr lange gestritten worden ist, das kein Dach hat. Da hat die Stadt jahrelang prozessiert, und jetzt haben sie so ein Pseudodach mit einer Neigung von ein paar Prozent gemacht. Ich finde, gerade in so einer herrlichen Lage wie am See unten, tut es unserer Landschaft weh, das passt nicht." Nicht weit von Köcks Haus entfernt entsteht ein neuer Gebäudekomplex mit 20 Wohnungen. Ein historischer Gasthof wird komplett entkernt, nur die Frontfassade erinnert noch an seine alte Gestalt.
Die Leute kaufen sich hier ein, kommen einmal, richten das sündteuer ein und das war‘s dann. Für den österreichischen Investor Thomas Hofer, der in Bad Wiessee die "Tegernsee Villen" gebaut hat, ist das ein lukrativer Ort, weil ...
Wirtschaftstreibende, Unternehmer, leitende Angestellte, das ist unsere Klientel, die sich diesem Traum auch leisten können."
"Kommt darauf an, was Sie haben wollen, es gibt auch noch eine um einen sechststelligen Betrag."
Man nehme: dunkles Altholz für Fassaden und Balkone – Fenster mit blassgrünen Läden – und – wichtig! Weniger der Baustil irritiert als die Dichte inmitten des alten Ortskerns: neun gleichförmige Häuser auf einem Fleck, mit Tiefgaragen, Fitnessstudio und Empfangshäuschen.
"Wissen Sie, diese Häuser, eines sieht aus wie das andere, das ist – wie soll ich das sagen – das ist nicht ein individueller Stil mehr, sondern da werden vier dieselben hin geklatscht auf ein Grundstück, das früher ein wunderschöne Parkgrundstück war, alle Bäumen kommen weg, die machen nur Arbeit, also es geht wirklich nur noch den meisten Investoren um Gewinnmaximierung. Und ich sage immer, das Tegernseer Tal wird langsam zur Beute dieser geldgierigen Investoren ... wie machen wir den größten Profit!" Aussagen wie diese lassen den Investor Thomas Hofer zwar nicht kalt.
Aber der Erfolg scheint ihm recht zu geben: Die Wohnungen sind bis auf eine Handvoll alle verkauft.
Wie unter einem Brennglas werden hier im Tegernseer Tal die unterschiedlichen Interessen und Lebensstile sichtbar: Die Alteingesessenen, die sich zurückgedrängt fühlen. Wir dürfen eines nicht vergessen, wir sind in erster Linie Tourismusort, alle Orte um den Tegernsee, d.h. der Großteil des Wirtschaftsvolumens bezieht sich auf den Tourismus, und ich sage immer eines: Wenn wir uns zunehmend verstädtern und eine moderne Architektur wählen, dann begeben wir uns in Gefahr, dass die Gäste nicht mehr sich identifizieren mit dem Oberland, sondern dass sie sagen, ich könnte auch zu Hause bleiben, in der Nähe von München, in einem Vorort absteigen, wir verlieren schlichtweg an Attraktivität."
Wie viele Gemeinden rings um den See hat sich auch Rottach-Egern vor einigen Jahren eine sogenannte Gestaltungssatzung gegeben. Am Ortseingang von Tegernsee allerdings gibt es – weit sichtbar – ein Haus, das alle Gestaltungssatzungen Lügen straft. Das befand sich zwar beim Bauantrag noch auf dem Papier, wurde aber nie gebaut. "Ich glaube schon, dass es richtig ist, in traditionellen Bauformen zu bauen, mit Satteldächern, mit Holz, mit Balkonen, die den ländlichen Raum hier prägen, aber ich denke schon, dass es moderner interpretiert werden darf, dass eben eine Entwicklung entsteht, es hat sich immer verändert die letzten 200 Jahren."
Nichts an dem Haus wirkt aufgesetzt und doch hebt es sich ab von seinem Elternhaus gleich neben dran, einem traditionellen Bauernhof mit Blumenkästen vor den kleinen Fenstern. Aber ich glaube, dass die Ortsgestaltungssatzungen, die relativ restriktiv sind, schon ihre Berechtigung haben, dass so was Ähnliches wie eine Harmonie entsteht.
Wenn man nicht weit nach Süden über die Grenze schaut nach Tirol, da schaut es aus wie Kraut und Rüben, weil es keine Satzungen gibt, weil es keine Regelungen gibt, und dadurch kann jeder machen, was er will. Ist das altmodisch oder modern, fragt sich Florian Erhardt und guckt an seinem Haus empor. "Die Leute kommen her und lassen sich mit Altholz bauen, und eigentlich gehen wir ja eher 100 Jahre zurück. Also wir brauchen den Einfluss aus der Stadt, der ist manchmal wild, aber der schadet nicht, weil wir aufwachen, sonst schlafen wir alle weiter und manchmal braucht man ein bisschen wildere und kreativere Köpfe, damit wir in Schwung kommen." Bei Alexandra Kreil hat das Dirndl bunte Farben, weit schwingende Röcke, einen Mix aus verschiedenen Stoffen und doch ist es als Tracht erkennbar, nach ihrem Wahlspruch: "Was Traditionen so lebendig macht, sind die Menschen, die sie in die Welt tragen." Und das hat seine ganz eigene Tradition: Seit neun Generationen wird das Geschäft von der Mutter an die Tochter weitergegeben.
Aber das war bei Alexandra nicht so klar, wie sie lachend erzählt, in einer freien Minute auf der Bank hinter dem Geschäft. Was bei mir vor allem in Bezug auf Kleidung eine wichtige Rolle spielt, ist, dass man Sachen, die man im Idealfall ein Leben lang hat, also ich kann halt überhaupt nichts mit dieser Wegwerf-Mentalität und einfach konsumieren, kann ich gar nichts anfangen und da spielt mir das Thema Tracht in die Hände." Josef Bogner ist Zimmerermeister und betreibt mit seiner Familie die Wirtschaft "Voitlhof zum Zotzn" in Rottach-Egern. Josef Bogner gehört auch zur jungen Generation am Tegernsee, die ihre Tradition leben, auch in Shorts und Flipflops.
"Ich stelle es mal so dar, wenn ich in die Schweiz fahre, und da auf eine Hütte gehe und da einkehre und da kriegt man ein Gruizi und das nächste ist dann einwandfreies Hochdeutsch, das ist für mich nicht die Schweiz und so sehe ich das hier und das muss man akzeptieren und auch der, der wo da herzieht und leben möchte, die fahren ja daher, weil es ihnen hier gefällt und da muss ich mich halt auch anpassen."
